- EGERLAND - Kanzleigemeinschaft für Insolvenz- und Strafrecht
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Die Reform des Privatinsolvenzrechts – Fortschritt oder Rückschritt -?

  

 

Immerhin: im Rahmen einer der letzten Sitzungen des Deutschen Bundestages der vergangenen Legislaturperiode am 17. Mai 2013 wurde neben einer Vielzahll anderer, umfangreicher Gesetztesvorhaben auch schnell noch die Reform des Privatinsolvenzrechtes mittels "Gesetzt zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte" verabschiedet.

Die meisten Vorschriften aus diesem neuen Regelwerk sind allerdings erst auf solche Verfahren anwendbar, die nach dem 01.07.2014 eröffnet werden.

 

Für alle laufenden Verfahren und sämtliche Neuverfahren bis zum 30.06.2014 ist also die alte Rechtsalge maßgeblich, undzwar für den gesamten Abtretungszeitraum von 6 Jahren.

 

Damit  sollte vorallem die Selbstverpflichtung der Regierungsparteien aus dem Koalitionsvertrag 2009 quasi auf den letzten Drücker noch umgesetzt werden. Dort hatte man vereinbart, im Rahmen der insgesamt beabsichtigten Reform und Modernisierung des Insolvenzrechtes die Restschuldbefreiungszeit (RSB-Zeit) von 3 auf 6 Jahre zu verkürzen, eine eindeutige und vorallem bedingungsfreie legislative Vorgabe.

 

Diese  Verkürzung der RSB - Zeit entsprach einer seit Jahren erhoben Forderung aller Sozial- und Verbraucherverbände. Außerdem sollte damit auch ein Beitrag geleistet werden zur Harmonisierung und Angleichung an andere europäische Entschuldungsgestze, die in der Regel eine Verfahrensdauer von maximal drei Jahren vorsehen. 

 

Gleichzeitig wurde öffentlich ein damit verbundener Paradigmenwechsel propagiert hin zur Installation eines insolvenzspezifischen Anreizsystems.

 

Deswegen gilt als Kernstück der InsO-Reform die in § 300 Inso dem Schuldner eingeräümte Möglichkeiten , durch Zahlung bestimmter Quoten die Dauer des Abtretungszeitraumes zu verringern.

 

Gemäß § 300 Abs.1 S.2 Nr.3 Inso n.F. erhält RSB bereits nach 5 Jahren, wenn es dem Schuldner gelingt, in diesem Zeitraum wenigstens die gesamten Verfahrensksoten auszugleichen.

 

Gemäß § 300 Abs.1 S.2 Nr.4 Inso n.F. wird auf Antrag die RSB bereits nach 3 Jahren erteilt , sofern der Schuldner mindestens 35 % der Gesamtverschuldung + sämtlicher Gerichts,-Verfahrens- und IV-Kosten bis zum Ende der 36 Monate dem IV zur Verfügung stellen kann.

  

  

Na super, was für eine dramatische Verbesserung !!

 

Welcher überschuldete Insolvenzantragsteller ist denn bitte dazu in der Lage.

 

Bei einer insolvenztypischen Verschuldenssumme von 60.000,-  € müssten also binnen 36 Monaten mindestens 21.000,- € auf dem Konto des Insolvenzverwalters bereit gestellt werden, zuzüglich 40 % Verwalterkosten, insgesamt also 29.400,- €. Ferner sind zu addieren Gerichts- und Verteilungskosten, die  zu einem finanziellen Gesamtbedarf des Schuldners in Höhe von ca. 34.000,- € führen, was einem Bedarf von ca.  55 % der Gesamtschuldsumme entspricht, obwohl die Gläubigergemeinschaft lediglich  35 % erhält.

 

OK, wer aber in der Lage ist, als Einmalzahlung kurzfristig 34.000,- € oder knapp 1.000,- € monatlich über den IV den Gläubigern  zur Verfügung zu stellen, bedarf zur zweckentsprecheden Entschuldung durchaus nicht der Inanspruchnahme insolvenzrechtlicher "Segnungen"mit ebenso teurer wie überflüssiger Insolvenzverwaltung..

 

Ein Schuldner, der über solche finanziellen Möglichkeiten verfügt, wird mit großer Aussicht auf Erfolg eine  außergerichtliche Einigung anstreben und erzielen. Denn für beide Seiten ist diese Alternative erheblich günstiger: der Schuldner erspart sich das absurde Insolvenzverfahren, die Gläubiger hingegen bekommen außergerichtlich und ohne IV schlichtweg erheblich höhere Ouoten, weil die unsegligen Verfahrenskosten entfallen.

 

Dies versteht der Verfasser im Übrigen unter planvollem Vorgehen; d.h. möglichst kostengünstig die Gläubigergemeinschaft schnell und effecktiv auszuzahlen mit einerQuote, die deutlich über der mittels Insolvenz erzielbaren liegt.

Die Entschuldung des insolventen Mandanten mittels Vergleich ohne Durchführung eines Insolvenzverfahrens wurde von unserer Kanzlei bereits in den vergangenen 10 Jahren stets favoritisiert. Dabei sind unzählige, individuell angepasste Einigungen erreicht worden, die alles das bereits enthielten, was heute als tolle Neuerung angepriesen wird,weil nämlich künftig auch für Verbraucher ein Insolvenzplanverfahren möglich sein wird. Lieber Gesetzgeber, dass war es schon immer, nur auf den teuren Insolvenzverwalter haben wir stets gerne verzichtet.

 

 

 

Zwischenfazit:

 

Für weit über 95 % aller  Insolvenz belasteter Menschen wird sich folglich an  der durch nichts und niemanden zu rechtfertigenden sechsjährigen Dauer der WVP  nicht das Geringste ändern.

 

Allenfalls eine Reduzierung von 6 auf 5 Jahre erscheint in einigen Fällen möglich, nämlich dann, wenn die Verfahrens- und Gerichtskosten durch Verwertung von Schuldnervermögen innerhalb der Insolvenzphase geleistet werden können. 

 

Gerade die angebliche  Hauptzielgruppe dieser Reform, nämlich die Jung-Unternehmer und Startup-Scheiterer, die schnell zurück in den Markt gebracht werden sollten zwecks Eröffnung einer fairen 2.Chance, haben in der Regel keine Chance, in den Reduzierungsgenuss zu gelangen., weil gerde bei diesem Klientel typischer Weise schnell sehr hohe Schulden entstehen (namentlich Entwicklungskosetn und Steuern), die mit der 35 % Regelung wohl eher überhaupt nicht klar kommen (weil 35% von 100.000,- € nunmal sehr viel mehr "Anreizkapital" erfordert als 35 % von etwa 15.000,- € Konsumentenkrediten).

Die eigentlich gemeinte Zielgruppe wird damit schon im Ansatz von allen Reduzierungshoffnungen ausgeschlossen, zumal die meist jungen Schuldner mangels Lebenserfahrung oft auch kaum eine Chance haben, im Rahmen abhängiger Dienstverhältnisse größere Summen oberhalb der Unpfändbarkeitsgrenze zu generieren, um das "Anreizkapital" zu erwirtschaften.

 

 

 

Aber damit nicht genug,

 

nein, die gesetzlich kodifizierte „Verschlimmbesserung“ hat noch viele weitere Nachteile zu Lasten der Schuldner im Köcher.

 

Dies sei deswegen gerechtfertigt, weil man die Schuldnerinteressen durch Verkürzung der RSB bereits überproportional berücksichtigt habe.

 

Was für ein grober Unfug. 

 

Aber der Unfug hat Methode, dient er doch als trefflicher Vorwand für eine -bezogen auf den redlichen Schuldner -- völlig unnötige und letztlich unakzeptable Stärkung der Gläubigerrechte, unter anderem wie folgt: 

 

  •  eine deutliche Verschärfung der Zugangsvorausetzungen, um überhaupt ein Insolvenzverfahren durchführen zu können;
  • die Berechtigung, im Verlauf der gesamten Verfahrensdauer schriftlich bei Gericht zu beantragen, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, was im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage, wonach Gläubiger nur im Schlusstermin mündlich Versagungsbegehren vorbringen können, eine unzumutbare (Zusatz-)belastung des Schuldners und vor allem der Insolvenzgerichte mit sich bringen dürfte;
  • die erhebliche Ausweitung des Kreises potentiell berechtigter Versagungs-Antragsteller (Erstreckung des Versagungsantragsrechts auf  Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht neben den z. Zt. allein berechtigten Gläubigern)
  • die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter durch einen Gläubigerausschuss bestimmen zu lassen, wobei die größte Schuldsumme bei unterschiedlich vorgeschlagenen Personen den Ausschlag gibt (soll heißen: zukünftig werden die Insolvenzverwalter/Treuhänder grundsätzlich nicht mehr vom Gericht, sondern von den Banken oder Finanzämtern als die in den meisten Fällen größten Gläubiger bestimmt, was allen bisherigen Grundsätzen eines fairen Verfahrens widerspricht.);
  • Ausweitung der von Hause aus nicht der Restschuldbefreiung unterliegenden Forderungen, z. B. auf rückständige Unterhaltszahlungen und eine Vielzahl von Steuern

 

 Vorstehend aufgelistetet Änderungen zu Gunsten  eines „modernisierten Entschuldungsverfahren“ zur „Belebung der Kultur der 2. Chance“ ist nicht abschließend, sondern lediglich die Darstellung der besonders bedeutsamen "Grausamkeiten".

Es gibt davon noch viele weitere, natürlich sämtlich tendenziell zu Lasten der Schuldner!

 

Die Neuregelung dürfte hiernach weniger auf einem echten politischen Änderungs- bzw. Rechtsmodernisierungswillen beruhen, sondern vielmehr in Anbetracht der sich neigenden Legislaturperiode bestimmt gewesen sein von der Umsetzungs- notwendigkeit des Handlungsauftrages aus dem Koalitionsvertrag des Regierungsbündnisses von 2009, wo man seinerzeit die alsbaldige Verkürzung der Wohlverhaltensphase (WVP) von 6 auf 3 Jahre – bedingungsfrei - vereinbart hatte.

 

Nur vor dem Hintergrund der Erkenntnis , dass hier offenkundig diese vertraglich übernommene Verpflichtung „auf den letzten Metern“ ebenso rasch wie scheinbar realisiert  wurdel, ohne dass dies  politisch wirklich gewollt ist und man deswegen meint, die leidige Angelegenheit listig so regeln zu können, dass der (angeblich) angestrebte Verkürzungseffekt der WVP  mangels geeigneter Regelungsadressaten praktisch ins Leere geht, lässt sich das Reform- Regelwerk nachvollziehen, gleichwohl aber weder rechtfertigen noch entschuldigen

.

Wenn dann zusätzlich aber noch der zur nachhaltigen Verbesserung der Schuldnersituation gedachte Neuregelungsauftrag zum Anlass genommen wird, allgemein die Zugangs- und Verfahrensvoraussetzungen zur  Verbraucherinsolvenz und die Erfolgschancen eines jeden Restschuldbefreiungsverfahrens drastisch zu verschärfen, so ist dies m. E. an Zynismus schwer zu übertreffen, einfach nur peinlich und insgesamt unwürdig.

 

 Schluss-Fazit:

 

Ein Abwarten auf die Neuregelung ist in keinem Falle ratsam.

Vielmehr bleibt im richtig verstandenen Interesse von Schuldnern, Gläubigern und der Zivilgesellschaft als solcher zu hoffen, dass die Insolvenzordnung in der reformierten Fassung  nicht - wie vorgesehen - ab 01.07.2014 angewandt wird, ohne zuvor die gravierendenSchuldnerbenach-teiligungsregeln ebenso zu entfernen wie alle Bedingungen, Auflagen und Nebenbestimmungen bei Reduzierung der WVP von 6 auf einheitlich 3 Jahre

  .

 

Berlin, im November 2013

 

ANMERKUG:

Ende 2018,  die "modernisierte Insolvenzordnung ist in der schlimmsten aller denkbaren Fassungen seit Juli 2014 wirksam, stellte man ernüchtert fest, dass lediglich 3 - 5 % in den Genuss der Verfahrensverkürzung von 6 auf 3 Jahre gemäß § 300 Abs,1 S2 Nr.2 InSO gelangt sind. Mit fallender Tendenz.

 

HINWEIS

Leider sind auch diese Prozentzahlen fast unglaublich, weil der Gesetzgeber schlicht vergessen hat, das Verfahren zur Verkürzung zu regeln. Die Verkürzung muss nämlich in jredem Falle vom Schuldner beantragt werden. Wann, Wie und bei Wem ist völlig offen. Wie kriegt der schuldner raus, ob 35 % + Kosten in 36 Monaten zusammen gekommen sind.Und wie ist dies überhaupt zu berechnen, stehen doch die Verwalterkosten erst nach Vrefahrensabschluß durch Gerichtsbeschluss fest. Die 36 Monate sind aber eine Notfrist, bei deren Überschreitung, z.B. weil man die Honorarerhöhungen des Verwalters nicht berücksichtigt hat, die Verkürzung entfällt. Und muss der Insolvenzverwalter den Schuldner auf dies Möglichkeit überhaupt hinweisen. Und wenn ja, wann ! Etwa so rechtzeitig, dass der Schuldner bei kleineren Fehlbeträgen evtl. noch rechtzeitig "nachlegen" kann.

Ist der Insolvenzverwalter verpflichtet,, so rechtzeitig dem Schuldner sein Verwertungsergebnis vorzurechnen, dass dieser seine Rechte noch wahrnehmen kann?

(Der Unterzeichner hat diesbezüglich von Verwaltern und Insolvenzgerichten total divergierende, teilweise abenteuerliche Antworten erhalten; dies ging soweit, dass man annehmen musste, einige Verwalter würden diese Form der Verkürzung systematisch unterwandern.)

 

Insgesamt ist damit der Beweis erbracht, dass die "große Verkürzungsoffensive " mehr Schaden als Nutzen gebracht hat..

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Insolvenzprofi Heinz Egerland
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