Zum Zwecke umfassender Entschuldung sieht das Insolvenzrecht für alle überschuldeten Personen, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben ein besonderes Verfahren vor. An Stelle des normalen „Regelinsolvenzverfahrens“ ist von solchen Personen das (vereinfachte) „Verbraucherinsolvenzverfahren“. durchzuführen.
Dieses Verfahren kommt auch zur Anwendung, wenn der Schuldner früher, d.h. vor Antragstellung, selbständig wirtschaftlich tätig war ,seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen (§ 304 Abs. 1 InsO).Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse nur dann, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Antragstellung weniger als 20 Gläubiger hat (§ 304 Abs. 2 InsO).Zu den Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gehören auch Forderungen des Finanzamts betreffend Lohnsteuer für Arbeitnehmer und Ansprüche der Krankenkassen und sonstiger Träger der Sozialversicherung auf Beitragszahlungen
Ziel desVerbraucherinsolvenzverfahrens ist es, neben einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dem redlichen Schuldner auch die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs zu verschaffen.Voraussetzung für das Insolvenzverfahren ist die Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, d.h. er kann seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen oder er wird sie zum Zeitpunkt der Fälligkeit voraussichtlich nicht erfüllen können.
Das Verfahren gliedert sich in drei Stufen, die nacheinander zu durchlaufen sind,nämlich
1. Stufe: außergerichtliche Schuldenbereinigung
2. Stufe: gerichtliches Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan
3. Stufe: Entscheidung über den Eröffnungsantrag - ggf. verein-fachtes - Verbraucherinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung
Die Stufe 2 wird nur durchgeführt, wenn das Verfahren in Stufe 1 gescheitert ist; Stufe3 setzt wiederum das Scheitern der Stufe 2 voraus oder die Anordnung des Gerichts, dass das Verfahren über den Eröffnungsantrag ohne gerichtliches Schuldenbereinigungs-verfahren fortgesetzt wird.
1. Stufe: Außergerichtliche Schuldenbereinigung
Vor Stellung eines Insolvenzantrages muss der Schuldner eine außergerichtliche Schuldenbereinigung mit seinen Gläubigern versuchen. Dieser Einigungsversuch ist Voraussetzung dafür, in das gerichtliche Verbraucherinsolvenzverfahren (2. und 3. Stufe) zu gelangen. Die außergerichtliche Schuldenbereinigung kann der Schuldner nicht alleine vornehmen. Er muss sich hierfür an eine geeignete Person oder Stelle wenden. Im Falle des Scheiterns des Einigungsversuchs bescheinigt die geeignete Person oder Stelle, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern erfolglosversucht wurde.
„Geeignete Personen“ für die Beratung des Schuldners sind Rechtsanwälte,Steuerberater sowie die übrigen in § 3 des Steuerberatungsgesetzes benannten Personen (Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer u.a.), § 1 Abs. 1 AGInsO.
Die außergerichtliche Schuldenbereinigung muss auf der Grundlage eines Plans versucht werden. Der Schuldner muss in diesem Plan seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegen und einen konkreten Vorschlag zur Schuldenbereinigung unterbreiten. Der Plan muss den Gläubigern zur Überprüfung und Stellungnahme zugesandt werden.
Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren ist gescheitert, wenn nicht alle Gläubiger dem Plan zustimmen oder wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nachdem die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden (§ 305 a InsO).
2. Stufe: Gerichtliches Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan
Ist das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren (Stufe 1) gescheitert, kann der Schuldner bei Gericht Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen.
Der Antrag kann auch noch gestellt werden, wenn ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner beantragt hat. Für den Insolvenzantrag ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat.
Mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner folgende Unterlagen und Erklärungen einzureichen:
• die Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle darüber, dass die außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über den Schuldenbereinigungsplan innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist (§ 305 Abs. 1 Ziff. 1, 1. HS InsO)
• den Plan, der von den Gläubigern abgelehnt worden ist mit einer Erklärung der wesentlichen Gründe, die zum Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung geführt haben (§ 305 Abs. 1 Ziff. 1, 2. HS InsO)
• den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung bzw. die Erklärung, dass eine solche nicht beantragt werden soll (§ 305 Abs. 1 Ziff. 2 InsO); bei Restschuldbefreiungsantrag die gemäß § 287 Abs. 2 ZPO erforderliche Abtretungserklärung.
• eine Übersicht und ein Verzeichnis über sein Vermögen und Einkommen, ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen ihn gerichtetenForderungen, ferner die Erklärung, daß diese Angaben vollständig und richtig sind (§305 Abs. 1 Ziff. 3 InsO)
• einen Schuldenbereinigungsplan (§ 305 Abs. 1 Ziff. 4 InsO)
Wenn der Schuldner voraussichtlich die Kosten des Verfahrens nicht aus seinem Vermögen aufbringen kann, kann er die Stundung der Verfahrenskosten beantragen (§ 4 a InsO).
Kernstück der bei Gericht einzureichenden Unterlagen ist der Schuldenbereinigungsplan. Er hat alle Regelungen zu enthalten, die unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sowie der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse des Schuldners zu einer angemessenen Schuldenbereinigung führen sollen. Soweit dadurch Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger berührt werden, ist dies anzugeben. Welche Maßnahmen der Schuldner zur Durchführung der Schuldenbereinigung vorschlägt, steht in seinem Ermessen.
Bei dem in Stufe 2 vorzulegenden Schuldenbereinigungsplan handelt es sich um einen selbständigen Vorschlag gegenüber dem in Stufe 1 verwendeten Plan, jedoch kann er daran angelehnt werden. Es ist zu erläutern, welche Veränderungen vorgenommen wurden und welche Gläubiger dem Plan in Stufe 1schon zugestimmt haben (woran sie allerdings in Stufe 2 nicht gebunden sind), insbesondere, warum der Plan in Stufe 1 gescheitert ist. Sofern sich der Schuldner über die gegen ihn gerichteten Forderungen unklar ist, kann er von jedem Gläubiger kostenlos eine schriftliche Forderungsaufstellung verlangen. Er hat dabei den Gläubiger auf das beantragte oder in naher Zukunft beabsichtigte Insolvenzverfahren hinzuweisen (§ 305 Abs. 2InsO).
Hat der Schuldner den Antrag nicht mit allen erforderlichen Unterlagen und Erklärungen eingereicht und kommt er auch einer entsprechenden Aufforderung des Gerichts, diese nachzureichen, nicht nach, so gilt sein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen.
Liegen alle Unterlagen vor und ist der Antrag zulässig, so entscheidet das Gericht, ob das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt oder die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag angeordnet wird, weil nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen werden wird (Stufe 3).
Wird das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt, so stellt das Insolvenzgericht die Vermögensübersicht sowie den Schuldenbereinigungsplan an alle vom Schuldner genannten Gläubiger zur Stellungnahme binnen eines Monats zu. Die Verzeichnisse werden zur Einsichtnahme der Gläubiger beim Insolvenzgericht niedergelegt.
Erhebt kein Gläubiger innerhalb der Monatsfrist Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan, wird beim gerichtlichen Einigungsversuch das Schweigen eines Gläubigers als Zustimmung zu dem ihm zugestellten Schuldenbereinigungsplan gewertet.
Der angenommene Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs, d.h. der Schuldner hat nicht mehr die ursprünglichen Forderungen der Gläubiger zu erfüllen, sondern nur noch die im Schuldenbereinigungsplan aufgeführten Verbindlichkeiten. Dies gilt allerdings nur für die im Plan berücksichtigten Forderungen.
Gläubiger, die vom Schuldner nicht benannt wurden und deshalb sich nicht am gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren beteiligen konnten, können ihre Forderungen in voller Höhe gegen den Schuldner geltend machen.
Haben nicht alle Gläubiger zugestimmt, kann das Gericht dem Schuldner Gelegenheit geben, den Schuldenbereinigungsplan zu ändern
Das Gericht kann die Zustimmung einzelner Gläubiger zum Schuldenbereinigungsplan trotz deren Zustimmungsverweigerung auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners ersetzen, wenn
• nach Köpfen und Forderungssumme mehr als die Hälfte der Gläubiger dem Plan zugestimmt haben und
• der die Zustimmung verweigernde Gläubiger gegenüber anderen Gläubigern oder im Vergleich zu einem durchgeführten Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung (Stufe 3) nicht benachteiligt wird.
Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren muss daher nicht an der ungerechtfertigten Ablehnung des Plans durch einzelne Gläubiger scheitern.
Während der Verhandlung über den Schuldenbereinigungsplan ruht das Insolvenzantragsverfahren; das gilt auch für einen von einem Gläubiger gestellten Insolvenzantrag. Jedoch kann das Gericht bereits in dieser Verfahrenslage Sicherungsmaßnahmen(z.B. ein Verfügungsverbot, die Bestimmung eines vorläufigen Treuhänders oder die Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen) anordnen, um eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern.
3. Stufe: Entscheidung über den Eröffnungsantrag - ggf. vereinfachtes Verbraucherinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung
Scheitert auch das gerichtliche Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan (2.Stufe), wird das ruhende Antragsverfahren wieder aufgenommen. Das Gericht muss nun prüfen, ob es dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgibt. Voraussetzung dafür ist, dass das Schuldnervermögen zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht, oder der Schuldner die Verfahrenskosten in sonstiger Weise beibringen kann oder dem Schuldner die Kosten des Insolvenzverfahrens auf seinen Antrag hin gestundet worden sind.
Sind die Kosten gedeckt oder gestundet, so eröffnet das Gericht ein sog.vereinfachtes Insolvenzverfahren.
Es wird in der Regel nur eine Gläubigerversammlung durchgeführt oder - bei überschaubaren Vermögensverhältnissen des Schuldners und geringer Gläubigeranzahl oder geringer Höhe der Verbindlichkeiten - vom Gericht die Durchführung eines schriftlichen Verfahrens angeordnet.
Ferner bestellt das Gericht einen Treuhänder/eineTreuhänderin
Diese( r) hat die Insolvenzmasse mit Ausnahme der mit einem Pfandrecht belasteten Gegenstände zu verwerten. Unter Insolvenzmasse versteht man das gesamte pfändbare Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Nicht dazu gehören alle unpfändbare Gegenstände, wie z.B. die notwendigsten Einrichtungs- und Kleidungsstücke sowie die vom Schuldner zur Berufsausübung benötigten Gegenstände.
Von einer Verwertung der Insolvenzmasse kann auf Anordnung des Gerichts ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn der Schuldner an den Treuhänder einen dem Wert der Insolvenzmasse entsprechenden Betrag zahlt.
Dieses vereinfachte Insolvenzverfahren dauert in der Regel 12 – 18 Monate, beginnend mit dem Tag der Verfahrenseröffnung, und endet mit der Aufhebung des Verfahrens (§ 200 InsO )
Sofern der Schuldner bei Antragstellung die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt hat, schließt sich am Ende des vereinfachten Insolvenzverfahrens das Restschuldbefreiungsverfahren an
4. Das Restschuldbefreiungsverfahren