In den Fällen des sog."Insolvenztourismus" sieht die Sach- und Rechtslage ein wenig anders aus.
Nachdem der EuGH vor einigen Jahren entschieden hat, dass unabhängig vom Ort des Entstehens einer Forderung alle EU-Bürger ihr Insolvenz in demjenigen Land durchführen können, wo sie sich überwiegend aufhalten, war der Weg zum Inso-Tourismus vorgezeichnet, solange in den Gesetzen der Länder sowohl die Insolvenz als auch die anschließende Restschuldbefreiung noch völlig unterschiedlich normiert sind.
Verständlich, wenn deshalb also ein EU-Bürger z.B. aus Deutschland die Vorteile der gesetzlichen Regelungen einer UK-Insolvenz oder auch England-InsO genannt für seinen eigenen Entschuldungsplan nutzen möchte und zu diesem Zwecke voraussetzungsgemäß -vorübergehend- nach UK übersiedelt und dort tätig wird.
Denn dort wird die Absolution in Form der Restschuldbefreiung in der Regel schon nach maximal 18 Monaten erteilt bei gleichzeitig erheblich geringerer Beschränkung der Handlungsfreiheit als in den anderen Mitgliedsstaaten der EU. Wegen der EU-weiten Akzeptanzpflicht kann auf dieses Weise z.Bsp. ein deutscher Geschäftsmann mit ausschließlich inländischen Schulden im Falle vorübergehender Residenznahme in UK das wesentlich verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren der Briten zur Schuldenbereinigung in Anspruch nehmen, ohne das auch nur ein einzige Forderung in Beziehung zu UK stehen muss.l
Obwohl diese Art der Entschuldung nach aktueller Erkenntnis im Prinzip durchaus funktioniert, wird sie dennoch nur in wenigen speziellen Fällen wirklich Sinn machen.
Denn zum einen ist das Verfahren wegen der erforderlichen (zeitweisen) Übersiedlung nach UK, der empfehlenswerten Vermittlung aller Schritte durch ortsansässige Anwälte und "Schlepper" und aus vielen anderen Gründen ausgesprochen kostspielig, zum anderen kann der Bestand der schließlich erteilten Restschuldbefreiung nicht mit der nach deutschem Recht gewohnten Absolutheit garantiert werden. Nachforderungsvorbehalte für bestimmte Forderungen bis zu 5 Jahren sind gängige Praxis.
Und die ganzen Übersetzungskosten sollten ebenfalls bedacht werden. Sowohl der Beginn wie auch Zeitpunkt, Art und Umfang der Verfahrensbeendigung müssen von deutschen Gerichten anerkannt und bestätigt werden, damit die gewünschte Rechtsfolge eintritt.
Auch die Franzosen sind um eine erheblich verkürzte Restschuldbefreiungszeit bemüht, erschweren jedoch den Zugang zu "ihrem" Verfahren für Nicht-Franzosen erheblich. So wird z.B. vom Schuldner ein Nachweis darüber verlangt, dass seine Aufenthaltssituation vor Ort nicht etwa allein auf die Verfahrensdauer begrenzt ist, sondern sich verfestigt bzw. nach Art und Dauer vergangener Tage schon jetzt als dauerhaft angelegt anzusehen ist, dass er die französische Sprache beherrscht und vorallem wird durch Kontrollen sichergestellt, dass der jeweilige Schuldner nicht nur Schein-Einwohner in der behaupteten Region ist.
Im Hinblick auf die manigfachen Unwägbarkeiten tatsächlicher und rechtlicher Natur ist ein im übrigen auch sehr teures Verfahren nach französischem Recht grundsätzlich nicht empfehlenswert.
Lässt sich also im Verschuldensfalle die Schuldenbereinigung seriös tatsächlich nur mittels Insolvenz und anschließender ewig langer Wohlverhaltensperiode bewerkstelligen. Aber warum nur ? In der Regel ist doch längst nichts mehr vorhanden, was im Wege der Gesamtvollstreckung verteilt werden könnte. Und die klassischen Einkommensverhältnisse sind typischer Weise derart gering, dass nur in absoluten Ausnahmefällen Pfändungsbeträge erzielbar sein werden, die eine merkliche Reduzierung der Gläubigerforderungen zu bewirken in der Lage sind.
Fazit : In ca.96 % aller Privatinsolvenzverfahren gelingt es nicht, während des gesamten, 6 Jahre andauernden Abtretungszeitraums auch nur einen einzigen Euro zu Gunsten der Gläubiger einzutreiben. Keiner (außer evtl. der Innsolvenzverwalter) hat also wirklich einen Vorteil von dieser Art der Insolvenz mit aufgesetzter Wohlverhaltensphase.
In Kenntnis dessen müssten doch eigentlich alle Beteiligten extrem stark daran interessiert sein, unter Umgehung des Gesetzesmonsters "Insolvenz" außergerichtlich zu einer Einigung zu gelangen, insbesondere wenn der Schuldner zum Zwecke der Insolvenzvermeidung in der Lage sein sollte, mittels Dritter die Gläubigerforderungen wenigstens zu 10 - 15 % und dann noch als Einmalzahlung zu bereinigen, Zug um Zug gegen Erlass der verbleibenden Schulden.
Wäre also eine derartige außergerichtliche Verständigung nicht die beste aller Entschuldungsvarianten ? weiter